Chlamydien-Infektionen - Immer mehr junge Frauen unter 25 Jahren betroffen

 

Ob man sie nun als „heimliche“ Epidemie oder neue Volkskrankheit bezeichnet, der drastische Anstieg von Chlamydien-Infektionen ist alarmierend. Die europäische Gesundheitsbehörde ECDC (European Center for Disease Prevention and Control) schätzt die Zahl der von Chlamydien infizierten Frauen und Männer in Europa auf 2,5 Millionen. Damit ist die Chlamydien-Infektion die häufigste sexuell übertragbare Krankheit in Europa mit wachsender Tendenz. Im Jahr 2007 wurden in den Ländern der EU 255.000 Fälle gemeldet. Eine Zahl die dem wahren Ausmaß der Verbreitung nicht einmal annähernd gerecht wird, wenn man bedenkt, dass diese Meldungen aus nur fünf Ländern stammen. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass Chlamydien-Infektionen in vielen Ländern noch gar nicht registriert werden. Das gilt auch für Deutschland. Dazu meint das Robert-Koch-Institut in Berlin: „In Deutschland sind Chlamydien-Infektionen – außer Infektionen mit C. psittaci – nicht meldepflichtig; daher ist eine genaue Abschätzung deren Häufigkeit nicht möglich“.

 


Was sind Chlamydien?

Die erstmals 1977 isolierten Chlamydien bilden eine eigene Familie der Bakterien und gehören zu den sogenannten Eubakterien. Sie vermehren sich ausschließlich innerhalb einer Wirtszelle. In ihrem Entwicklungszyklus durchlaufen sie zwei Formen. Außerhalb ihrer Wirtszellen bezeichnet man ihre Erscheinungsform als Elementarkörperchen. In der infizierten Wirtszelle wandeln sich die Elementarkörperchen zu Retikularkörperchen um, die einen aktiven Stoffwechsel betreiben und sich vermehren können. Neueste Forschungsergebnisse legen die Vermutung nahe, dass die Retikularkörperchen in der Lage sind, Lipide der Wirtszelle in ihre Hüllmembran einzubauen. Mit diesem „Trick“ verhindern die Chlamydien, dass die Abwehrmechanismen der Zelle wirksam werden. Vor dem Tod der Wirtszelle nehmen Chlamydien wieder die Form eines Elementarkörperchens an, um weitere Zellen zu infizieren.

 


Mögliche Folgen einer Chlamydien-Infektion

San. Rat Dr. Werner Harlfinger, Landesvorsitzender des Berufsverbandes der Frauenärzte in Rheinland-Pfalz, warnt eindringlich:

 

„Die Probleme bei einer Infektion mit diesen winzigen Bakterien sind nicht so sehr die akuten Krankheitszeichen, sondern vielmehr die drohende Langzeitfolge Unfruchtbarkeit. Bis zu 80% der infizierten Frauen zeigen keine Symptome. Eine lang zurückliegende Infektion wird oft erst Jahre später bemerkt, wenn der Kinderwunsch nicht in Erfüllung geht."

Das spezielle Problem bei Chlamydien-Infektion besteht darin, dass sie häufig unerkannt bleiben und nicht behandelt werden. Viele Frauen bemerken gar nicht, dass sie sich infiziert haben. Nur jede vierte positiv getestete Frau hat vor der Diagnose Symptome wie Brennen beim Wasserlassen, Druckgefühl in der Blase, diffuse Unterleibsschmerzen oder leichten vaginalen Ausfluss bemerkt.

 

Man kennt bei den Chlamydien verschiedene Untergruppen, die sich durch ihre Oberflächenstruktur unterscheiden. In Entwicklungsländern kommt eine Gruppe von Chlamydien am häufigsten vor, die das sogenannte Trachom auslöst, eine Augenkrankheit, die oft zur Erblindung führt. Die in Europa häufigste Gruppe der Chlamydien kann bei Frauen zu Entzündungen der Harnwege führen und neigt dazu, auch die Schleimhaut des Gebärmutterhalses zu befallen. Von dort wandern die Bakterien über die Gebärmutter bis zu den Eileitern. Das kann eine Verklebung der Eileiter und somit eine Unfruchtbarkeit der Frau zur Folge haben. Verklebte Tuben können außerdem verhindern, dass ein befruchtetes Ei die Gebärmutter erreicht. Die daraus resultierende Extrauteringravidität (Einnistung der befruchteten Einzelle außerhalb der Gebärmutter) kann unterschiedliche Komplikationen im Gefolge haben. Bringt eine mit Chlamydien infizierte Mutter ein Kind zur Welt, läuft sie Gefahr, ihr Kind unter der Geburt anzustecken. Bei Säuglingen lösen Chlamydien vor allem Lungenentzündungen und Bindehautentzündungen aus.

 


Diagnostik und Therapie

Als Untersuchungsmaterial zum Nachweis einer akuten Chlamydia-trachomatis-Infektion eignet sich ein Gebärmutterhals-Abstrich oder eine Urinprobe, die im Labor untersucht werden. Diese ebenso einfache wie effektive Nachweismethode ist Grundlage eines breit angelegten Screenings, das seit fünf Jahren in Großbritannien angeboten wird. Dort können junge Mädchen ab 15 Jahren eine Urinprobe einschicken und erhalten wenige Tage später das Testergebnis, mit dem sie dann ggf. einen Gynäkologen aufsuchen. Inzwischen sind 35% aller jungen Engländerinnen zwischen 15 und 25 auf Chlamydien getestet.

 

Akute Infektionen werden mit Antibiotika behandelt. Aufgrund der intrazellulären Lebensweise können Chlamydien im Gegensatz zu anderen Bakterien nicht mit Penicillin behandelt werden. Daher kommen sogenannte Tetrazykline und Makrolide zum Einsatz. Die Infektion mit Chlamydia trachomatis gehört zu den infektiösesten sexuell übertragbaren Krankheiten und kann deswegen nur dann erfolgreich behandelt werden, wenn sich der oder die Sexualpartner ebenfalls einer Behandlung unterziehen.

 


Epidemiologie der Chlamydien-Infektion

Aktuelle Untersuchungen über die Verbreitung der Chlamydien lassen sich kurz zusammenfassen: Immer mehr und immer jünger.

 

So haben Chlamydien-Infektionen unter schwedischen Jugendlichen seit 2006 um 45% zugenommen. In den Niederlanden wurde sogar ein Zuwachs um 62% festgestellt. Alarmierend ist außerdem, dass immer jüngere Bevölkerungsgruppen betroffen sind.

 

Die wichtigsten Risikofaktoren sind:

- Alter unter 25 Jahren

- Neuer bzw. mehrere Sexualpartner innerhalb der letzten sechs Monate

- Ungeschützter Verkehr

 

Dazu Prof. Dr. Dr. Ernst Weissenbacher, München:

"Wenn eine Patientin, die zu mir in die Sprechstunde kommt, zwischen 15-25 Jahre alt ist und häufig wechselnde Partner und einen eitrigen Muttermund hat, dann kann man in bis zu 50 Prozent der Fälle rechnen, dass sie eine Chlamydien-Infektion hat. Unerkannt ist das eine Katastrophe für eine junge Frau, wenn sie später Kinder haben will".

 

Seit Januar 2008 haben Mädchen und junge Frauen unter 25 Jahren die Möglichkeit, einmal pro Jahr einen Früherkennungstest auf Chlamydien beim der Frauenärztin / dem Frauenarzt vornehmen zu lassen, der von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt wird.

 


Die Ärztinnen und Ärzte des Berufsverbandes der Frauenärzte beraten und informieren jede Frau zum Thema der Chlamydien-Infektion und raten allen jungen Frauen unter 25 Jahren, das Angebot anzunehmen und sich testen zu lassen, um die rasant ansteigende Verbreitung der Chlamydien in den Griff zu bekommen und die häufigste Sterilitätsursache bei Frauen auszuschalten.